Das Ende der westlichen Illusion und die neue globale Realität

Wie wird die neue Realität aussehen, wenn die auf westlichen Interessen basierende Weltordnung zusammenbricht?

Von Adem Kılıç, Politikwissenschaftler

Auf globaler Ebene herrscht ein Umfeld, in dem viele Standards – von Menschenrechten bis zu Atomabkommen, von internationalen Rechtsnormen bis zu gesellschaftlichen Konventionen – versagen, was die Unsicherheit erhöht und die Grundlagen der sogenannten „regelbasierten“ Weltordnung erschüttert.

Historisch betrachtet wurde die Weltordnung insbesondere im letzten Jahrhundert von zwei großen Wendepunkten geprägt.

Die Gründung der Vereinten Nationen und ihrer Institutionen 1945 und der Fall der Berliner Mauer 1989, gefolgt vom Zerfall der UdSSR, führten dazu, dass der Westen nach dem Ende des Kalten Krieges den Sieg erklärte und eine neue Weltordnung ausrief.

Im Anschluss an diese Entwicklungen erlebte die Welt eine unipolare Ära, die von intensiver globaler Integration und insbesondere der Führung der USA geprägt war.

Inzwischen hat sich das Gleichgewicht jedoch völlig verschoben.

Während Akteure wie China, Russland und die Türkei die alten, auf westlichen Interessen basierenden Regeln in Frage stellen und mehr Einfluss bei der Gestaltung der Weltordnung gewinnen, befindet sich die westliche Welt im völligen Chaos.

Der Glaube an sogenannte „westliche Konzepte universeller Werte“ und „Normen der internationalen Gesellschaft“ ist mittlerweile weitgehend erodiert, während Heucheleien wie das Schweigen des Westens zum israelischen Völkermord im Gazastreifen die Neugestaltung der neuen Weltordnung angestoßen haben.

Trumps Strategie gegenüber US-Verbündeten, die Infragestellung von Sicherheitsgarantien, sein Rückzug aus vielen internationalen Organisationen und die Schwächung der Grundlagen des Systems durch Handelskriege bestätigen zusätzlich, dass das auf westlichen Interessen basierende System dysfunktional geworden ist.

Ja, uns erwartet eine Welt, in der das Kräfteverhältnis und nicht die Regeln der entscheidende Faktor sein dürften – eine Welt, die für kleine Länder und Länder, die keine starken Führungspersönlichkeiten hervorbringen können, sehr gefährlich ist.

Es scheint, dass eine globale Struktur, in der Großmächte ihre eigenen Regionen dominieren, „Hinterhöfe“ wie in der Zeit vor dem Kalten Krieg etablieren und in Blöcke aufgeteilt sind, zur neuen Realität der globalen Struktur wird.

„Eine gerechtere Welt ist möglich“

Das Idealszenario basiert auf den beiden Ansätzen des türkischen Präsidenten Erdoğan, die nun auf der globalen Bühne Einzug gehalten haben:

„Eine gerechtere Welt ist möglich“ und „Die Welt ist größer als fünf“.

Die rasanten Entwicklungen in der Welt, insbesondere nach der Pandemie, zeigen deutlich, dass der UN-Sicherheitsrat und die sogenannten Bretton-Woods-Institutionen ihre Funktionsfähigkeit und ihren Einfluss vollständig verloren haben.

Den „Entwicklungsländern“ kein Mitspracherecht mehr einzuräumen, wird die globale Ungerechtigkeit weiter vertiefen und eine chaotische Ordnung schaffen, in der Atomwaffen die einzige Abschreckung sind.

Denn die internationale Entwicklung hat deutlich gemacht, dass westliche Normen – von den Menschenrechten bis zur Demokratie – bloß eine Illusion sind.

Veränderungen sind unvermeidlich

Das globale System wird derzeit umgestaltet. Dabei ist eine starke soziale Dynamik entscheidend, um in einer neugestalteten, gerechteren und inklusiveren internationalen Ordnung mitreden zu können. Das Ende der Massen, die sich der „Illusion“ und „Bewunderung“ des Westens hingeben, und der Gesellschaften, die die Werte ihres Landes zugunsten eines „bequemen Lebens“ im Namen der sogenannten „Freiheit“ ignorieren, wird die Unterwerfung unter die „Gesetze des Dschungels“ in der neuen Weltordnung mit sich bringen, im Sinne des „Rechts des Stärkeren“.

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