Israels Rhetorik des „Neuen Nahen Ostens“ und das Projekt der „Nahen Osten-Föderation“

Es wird Zeit daß sich die arabischen Staaten zusammen finden um Israel zu zerstören

 

Von Adem Kılıç, Politikwissenschaftler / Autor

Israels in den letzten Jahren häufig wiederholte Rhetorik eines „Neuen Nahen Ostens“ ist nicht nur eine rhetorische Behauptung, sondern spiegelt auch eine langfristige Vision mit tiefem strategischen Hintergrund wider.

Diese Rhetorik hat sich während Netanjahus Amtszeit als Premierminister noch deutlicher verstärkt und bildet nun den grundlegenden Rahmen für militärische Maßnahmen, diplomatische Manöver und Wirtschaftsprojekte.

In diesem Zusammenhang sind zunächst die Abraham-Abkommen zu erinnern, die 2020 auf Initiative der Trump-Administration unterzeichnet wurden.

Diese Abkommen zielten auf eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und bestimmten arabischen Ländern ab und traten mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, dem Sudan und Marokko in Kraft.

Keines dieser Abkommen kann jedoch als wirklich „friedensorientiert“ bezeichnet werden.

Jedes dieser Abkommen entstand als geopolitisches Abkommen, in dem die Parteien im eigenen Interesse verhandelten und der gegenseitige Nutzen berücksichtigt wurde.

Die Codes der Abraham-Abkommen

Das Hauptmotiv der VAE für die Unterzeichnung des Abkommens war es, grünes Licht für den Kauf von Waffen im Milliardenwert von den USA zu erhalten. Der Sudan wollte von der Liste der „Terrorismus unterstützenden Länder“ gestrichen werden. Marokko hingegen forderte die Anerkennung seiner Souveränität über die Westsahara.

Keines dieser Länder war ein wichtiger Akteur in der palästinensischen Sache, noch nahmen sie eine aktive und prinzipielle Haltung zu diesem Thema ein.

Daher konzentrierten sich die Abkommen nicht auf die palästinensische Frage, sondern vielmehr auf Israels regionale Legitimität und Sicherheitsdoktrin.

An dieser Stelle sei an die Rede des damaligen israelischen Premierministers Netanjahu vor den Vereinten Nationen im Jahr 2019 erinnert.

In seiner Rede bezog sich Netanjahu auf antike Zeiten und theologische Daten, um von der Wahl zwischen „Segen“ und „Fluch“ zu sprechen, und zeigte der Welt eine sogenannte „Neue Karte des Nahen Ostens“.

Mit anderen Worten: Der Diskurs über den „Neuen Nahen Osten“ war keine theoretische Vision, sondern die Ankündigung eines klar ausgearbeiteten Plans, der Schritt für Schritt umgesetzt werden sollte. 

Grundlage dieser Vision war der Übergang Israels von einer Regionalmacht zum „Gründungsakteur der Nahostordnung“.

Die Sicherheitsdoktrin „Abraham Shield“ und die regionale Integration

Derzeit beobachten wir, dass das Projekt „Neuer Naher Osten“, das ein zentrales Thema von Netanjahus Rhetorik war, in einen klareren Rahmen eingebettet wird. In diesem Kontext entwickelt sich das „Abraham-Schild-Projekt“ zum Namen der israelzentrierten Sicherheitsdoktrin der neuen Ära.

Dieses Projekt soll mit militärischer und wirtschaftlicher Unterstützung der USA umgesetzt werden.

Ziel ist es, Israel nicht nur zu einer militärischen Großmacht, sondern auch zu einem wirtschaftlichen und politischen Zentrum im Nahen Osten zu machen.

In diesem Zusammenhang wird die Idee der Gründung einer Nahost-Föderation unter dem Deckmantel von „Stabilität und Integration“ diskutiert. Diese Föderationsidee soll Israels regionale Führungsrolle festigen und eine Grundlage für die institutionelle Zusammenarbeit mit arabischen Ländern schaffen.

Die fragmentierte Struktur der arabischen Welt, ihre internen Konflikte und ihre Unfähigkeit, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, werden das größte Hindernis für diesen Prozess aus dem Weg räumen.

Israels größter strategischer Erfolg bei diesen Bemühungen besteht darin, die iranische Bedrohung zu seinem Vorteil zu nutzen. Anti-iranische Stimmungen sind die Hauptmotivation für die Sicherheitskooperation zwischen den Golfstaaten und Israel.

Insbesondere Saudi-Arabiens jüngste Rhetorik hinsichtlich einer Normalisierung der Beziehungen mit Israel ist ein klarer Ausdruck des diplomatischen Drucks der USA auf die Region und der Angst vor dem Iran.

 

Das wirtschaftliche Rückgrat des Neuen Nahen Ostens

Eines der Ziele Israels besteht darin, die Energiefelder vor der Küste des Gazastreifens zu kontrollieren und die Ressourcen des Levantebeckens im östlichen Mittelmeer über die Negev-Wüste in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Indien zu transportieren.

Diese Route überschneidet sich weitgehend mit dem Wirtschaftskorridor Indien-Naher Osten-Europa (IMEC). Die Dubai-Haifa-Eisenbahn, die das Rückgrat dieses Projekts bildet, ist ebenfalls ein zentraler Bestandteil dieses Ziels. 

Das Eisenbahnprojekt wird in Dubai beginnen und durch Saudi-Arabien und Jordanien führen, um den israelischen Hafen von Haifa zu erreichen. Diese etwa 1.500 km lange Strecke soll die Landlogistik in der Region verändern.

Jordanien wird in diesem System zu einem Umsteige- und Transportknotenpunkt. Das Projekt wurde 2018 vom damaligen israelischen Verkehrsminister Yisrael Katz als „Friedensbahn“ ins Leben gerufen.

Im Namen der Sicherheit Israels verwüstete Geographie

Ein Blick auf die jüngere Geschichte zeigt, wie die Region durch Maßnahmen im Namen der israelischen Sicherheit schrittweise umgestaltet wurde.

Der libanesische Bürgerkrieg, der 1975 begann und bis heute andauert, entstand als Folge des israelischen Reflexes, seine Nordgrenzen zu sichern.

Die Dreiteilung des Irak war ebenfalls Teil der israelischen Strategie, Bedrohungen im Osten zu fragmentieren, während der syrische Bürgerkrieg und die Versuche, in Nordsyrien einen Terrorstaat zu errichten, das Ergebnis der israelischen Bemühungen waren, eine südliche Sicherheitslinie zu errichten.

Der Sturz Mursis in Ägypten stand im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Akteuren, die die palästinensische Sache unterstützten, aus dem System, während die Blockade Katars und der Putschversuch dort eine Fortsetzung der Politik darstellten, die darauf abzielte, potenziellen antiisraelischen Widerstand in der Region zu brechen. Und schließlich die Abraham-Abkommen.

Auch die Abraham-Abkommen sollten Israels Sicherheit garantieren, und dieses Tableau bildete die Grundlage für die Vision einer unschuldigen Zukunft im Diskurs des „Neuen Nahen Ostens“ und einen Prozess zur Rechtfertigung des systematischen Aufbaus von Hegemonie.

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