4. September 2024von Thomas Oysmüller
Dass sich die EU unabhängig von russischem Gas machen würde, ist gelogen. Weiterhin bleibt Russland kritischer und notwendiger Zulieferer für den Westen.
Zwar ist Moskau seit Kriegsbeginn 2022 nicht mehr der größte Gaslieferant für die EU, doch die Importe steigen wieder. Zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren hat man im zweiten Quartal 2024 wieder mehr Gas aus Russland als aus den USA importiert. 12,7 Milliarden Kubikmeter hat die EU von April bis Juni aus Russland importiert, 12, Milliarden aus den USA. Zum Vergleich: Alleine über Nord Stream wurden 2021 fast 60 Milliarden Kubikmeter importiert. Gemeinsam mit Nord Stream 2 hätte man über 110 Milliarden jährlich von Russland direkt nach Deutschland importieren können.
Norwegen, Russland, USA
In Kombination mit dem Umstand, dass russisches Gas weitaus günstiger als jenes aus den USA – und dazu noch umweltfreundlicher – ist, lässt sich der strategisch-ökonomischen Vorteil, den Deutschland durch Nord Stream gehabt hätte, leicht erkennen. Und auch das Ausmaß des Anschlags ist sichtbar – wenngleich die aktuelle Ampelregierung ohnehin kein Gas über Nord Stream haben will.
Denn Deutschland bezieht kein Gas mehr aus Russland. Auch das ist wohl ein Grund, warum der größte Gaslieferant mittlerweile Norwegen ist. Die Pipeline „Baltic Pipe“ von Norwegen nach Polen öffnete am 1. Oktober 2022 – nur wenige Tage nach dem Anschlag auf Nord Stream.
Zweitgrößter Lieferant ist aber wieder Russland, knapp vor den USA – weil aus Nordamerika drastisch weniger Gas in diesem Quartal gekommen ist. Welche Länder noch viel Gas aus Russland importieren, geht aus den Daten einer Brüsseler Beratungsgesellschaft nicht hervor. Österreich braucht russisches Gas aber weiterhin, so wie viele andere EU-Länder südöstlich von Deutschland.
Gleichzeitig fordern antirussische Politiker, etwa CDU-Mann Norbert Röttgen, einen EU-weiten Lieferstopp von russischem Gas. Das würde die Deindustrialisierung der EU wohl um ein Vielfaches beschleunigen, die Gasrechnungen wieder massiv erhöhen und könnte womöglich sogar zu Energiemangel führen. Deshalb wird das aber wohl auch nicht passieren. Trotzdem hat Ursula von der Leyen schon mehrmals behauptet, die EU habe mit russischem Gas gebrochen. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus.