Was sich jetzt im Nahen Osten ändert von Thierry Meyssan Die erste Konsequenz der israelischen Massaker in Gaza, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen ist nicht jene, die wir erwartet haben. Bis heute setzen die Kriminellen, die in Tel Aviv an der Macht sind, ihre Eroberung mit den Waffen fort, die man ihnen gibt. Der Wandel fand zuerst in Israel selbst und in der jüdischen Diaspora statt und zwang die IDF, einem ungeschriebenen Waffenstillstand im Libanon zuzustimmen, während sie von Washingtons Hilfe profitierte, um die Kämpfe nach Syrien zu verlagern. Die ukrainische und die libanesische Front haben sich zusammengeschlossen und haben sich nach Syrien verlagert. |
Benjamin Netanjahu, der seine Beziehungen zur Hamas vor seinem Volk verheimlicht hat,
offizielle Dokumente über den 7. Oktober gefälscht und in vielerlei Hinsicht gelogen hat,
führt sein Land zum Fehlschlag.
Warum sehen wir die Massaker im Nahen Osten nicht?
Im Laufe der letzten Jahre wurde die israelische Friedensbewegung zerschlagen, Antisemitismus und Antizionismus wurden verwechselt und schließlich das Narrativ vom Kampf der Kulturen verbreitet. Diese drei Fehler hindern uns zu sehen und zu verstehen, was im Nahen Osten geschieht.
Die Friedensbewegung von Nahum Goldman, Präsident der Zionistischen Weltorganisation, existiert nicht mehr. Ihr Ziel war, Israel zum geistlichen und moralischen Zentrum aller Juden zu machen, zu einem neutralen Staat nach dem Vorbild der Schweiz, mit internationalen Sicherheitsgarantien und einer ständigen symbolischen internationalen Präsenz. Goldman, der die Durchführung des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem statt vor einem internationalen Tribunal angeprangert hatte, (was den revisionistischen Zionisten erlaubte, ihre Beziehungen zu ihm zu verschleiern), verhandelte mit dem ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser über eine gerechte und dauerhafte friedliche Koexistenz und mit dem Präsidenten der Palästinensischen Befreiungsorganisation, Jassir Arafat, wurde sogar in Israel verhaftet.
Der Historiker Bernard Lewis, der Benjamin Netanjahus Berater war, als dieser Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen war, erfand 1957 für den Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten, dem er angehörte, die Strategie des “Kampfes der Kulturen”. Es ging darum, die Konfrontation der westlichen Zivilisation mit der islamischen, und dann der chinesischen und so fort, als unvermeidlich darzustellen, um die aufeinanderfolgenden westlichen Kriege zu rechtfertigen. Sein Assistent Samuel Huntington, ein ehemaliger Kollaborateur des südafrikanischen Apartheid-Geheimdienstes, machte diese Strategie 1993 populär, indem er ihr den Anschein eines akademischen Befundes verlieh. Er wurde von der CIA für diese Propagandaarbeit bezahlt. Obwohl sein Werk ein intellektuelles Sammelsurium ist, das einer Analyse nicht standhält, ist es in unsere Köpfe eingedrungen. Diese dumme Theorie wird nun von Benjamin Netanjahu benutzt, um seine “Siebenfronten”-Kriege in Gaza, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien, im Irak, im Iran und im Jemen zu rechtfertigen. Derselbe Netanjahu wurde jedoch im September 2014 im Ziv Medical Center in Zefat fotografiert, als er 500 Al-Qaida-Offiziere besuchte, die in Israel gepflegt wurden [1]. So ist es möglich, mit Dschihadisten auszukommen, wenn sie Zivilisten in Syrien massakrieren, aber nicht mit den Palästinensern, wenn sie einen Staat fordern.
Benjamin Netanjahu gratuliert seinen Al-Qaida-Verbündeten,
die in Israel ins Krankenhaus eingeliefert wurden,
für ihren Kampf gegen die Arabische Republik Syrien.
Nathan Scharansky [2], welcher stellvertretender Ministerpräsident unter General Ariel Sharon war, entwarf das Narrativ, dass es die Palästinenser als Ganzes sind und nicht gewisse israelische Führer, die den Frieden verweigern. Dann erfand er, dass die iranischen Revolutionäre alle israelischen Juden ins Meer werfen wollten (während die Juden friedlich im Iran leben und im Parlament vertreten sind). Schließlich organisierte er internationale Medienkampagnen, um Verwirrung zwischen “Nationalismus”, “Zionismus” und “revisionistischem Zionismus” zu stiften und dann “Antisemitismus” mit “Antizionismus” gleichzusetzen (in so einem Spiel wäre selbst die israelische Tageszeitung Haaretz antisemitisch).
Im Jahr 2004 schrieb Scharansky zusammen mit Ron Dermer ein binäres Buch mit dem Titel “The Cause of Democracy”, um uns zu versichern, dass Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten ist. Dermer wurde israelischer Botschafter in den Vereinigten Staaten (2013-2021) und dann Minister für strategische Angelegenheiten (von 2023 bis heute), eine Position, in der er den Kampf gegen die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition, Sanktionen) auf der ganzen Welt organisiert.
Nathan Scharansky setzt seine Arbeit heute still und leise fort, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in der Ukraine, wo er geboren wurde, durch das Institute for the Study of Global Antisemitism and Policy (ISGASP). Diese US-amerikanische Vereinigung wird reichlich von Ron Dermers Ministerium finanziert. Sie war es zum Beispiel, die die Kongress-Anhörungen der Rektoren großer Universitäten organisierte, um die Rektoren zu zwingen, die Demonstrationen gegen die Massaker in Gaza wegen Antisemitismus zu unterdrücken.
Es versteht sich von selbst, dass Bernard Lewis, Samuel Huntington, Nathan Scharansky und Ron Dermer keine “Zionisten”, sondern “revisionistische Zionisten” sind.
Neuverteilung der Karten im Nahen Osten
In dieser Atmosphäre der weit-verbreiteten Lügen ändern sich die Positionen aller Gemeinschaften im Nahen Osten. Dies ist eine Folge von Benjamin Netanjahus Versuch, den nördlichen Gazastreifen und den südlichen Libanon zu erobern. Nach und nach erkannten alle politischen Akteure, einschließlich der israelischen Juden, dass die israelischen Militäroperationen nichts mit den angekündigten Zielen zu tun hatten: nämlich die Freilassung der Hamas-Geiseln und die Rückkehr der Israelis im Norden des Landes in ihre Dörfer. Die Netanjahu-Koalition verfolgt das koloniale Projekt von Wladimir Jabotinsky (1880-1940): die Schaffung eines Imperiums in der Levante, vom Nil bis zum Euphrat.
Dieses Projekt hat nichts mit dem antiken Königreich Jerusalem zu tun, welches nur die Heilige Stadt und ihre unmittelbaren Vororte umfasste, sondern zielt darauf ab, das alte assyrische Reich wiederherzustellen, so wie Jabotinskys Beschützer, Benito Mussolini, das alte römische Reich wiederherstellen wollte.
Auf die Herausforderung einer neuen faschistischen Eroberungswelle der Levante zu antworten, war der Sinn sowohl der Worte des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad auf dem gemeinsamen Gipfeltreffen der Arabischen Liga und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit am 11. November in Riad, als auch die des Herausgebers der israelischen Tageszeitung Haaretz, Amos Schocken, auf der Konferenz „Israel After October 7th: Allied or Alone?“ (Israel nach dem 7. Oktober: mit Verbündeten oder allein?), 27. November in London.
Alle Protagonisten stimmen in dieser Beobachtung überein, auch wenn die meisten es vermeiden, auf die Verbindungen Jabotinskys und seiner Jünger mit den Faschisten und den Nazis einzugehen. Der Westen weigert sich jedoch immer noch, die Augen zu öffnen und behandelt diesen Konflikt so, als wäre er nicht politisch, sondern ethnisch, als ob er ein Konflikt zwischen Juden und Arabern sei oder sogar zwischen Juden und den Arabern.
Drei Elemente spielen eine besondere Rolle bei dem Wandel, der im Gang ist:
• Der Sieg des Jacksonianers Donald Trump in den Vereinigten Staaten über die Koalition der Straussianer von Kamala Harris. Ersterer beabsichtigt Handelskriege an die Stelle von militärischen Kriegen zu setzen, während letztere das Armageddon provozieren wollen.
• Die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF), die eine unbestreitbare Kontrolle über den Luftraum ihrer Nachbarn haben, erweisen sich als unfähig, auch nur den geringsten Sieg am Boden zu erringen. Sie sind disziplinlos und viele Männer benehmen sich wie Schläger. Im Zusammenhang mit der Niederlage der Straussianer in den Vereinigten Staaten hat die IDF nicht mehr so viele Waffen und es mangelt anscheinend an vielen von ihnen. Schließlich stehen einige ihrer Einheiten, die Zeugen von Verbrechen einiger anderer geworden sind, nun am Rande einer Rebellion.
• Die jüdische Diaspora, die bis jetzt Benjamin Netanjahu ohne mit der Wimper zu zucken unterstützt hat, ist endlich in der Lage, ihre Unterstützung für israelische Juden von den Verbrechen ihrer Regierung zu unterscheiden. Seit Netanjahus Anklage durch den Internationalen Strafgerichtshof am 21. November gilt die Solidarität unter den Juden, die sie sich während der jahrhundertelangen Verfolgung durch Nichtjuden angeeignet hatten, nicht mehr. Viele jüdische Persönlichkeiten, die bisher geschwiegen haben, distanzieren sich öffentlich von den Verbrechen, die an den “sieben Fronten” und gegen die UNO begangen wurden.
Der Iran hat die Strategie der “Achse des Widerstands” von General Qassem Soleimani aufgegeben, nach der Teheran alle unabhängigen bewaffneten Gruppen unterstützt und koordiniert, die gegen die Kolonisierung der Region kämpfen. Der Iran weigerte sich, dem Libanon während der israelischen Invasion zu helfen, und danach gab eine iranische Macht-Fraktion die Kontaktdaten der obersten militärischen Führer der Hisbollah an Israel weiter, damit sie ermordet werden konnten.
Gleichzeitig inszenierten Teheran und Tel Aviv ihren Antagonismus und behaupteten, zu einem Entscheidungskampf bereit zu sein. Die beiden iranischen Angriffe (Operation “Ehrliches Versprechen” vom 13. April und 1. Oktober) und die beiden israelischen Angriffe (19. April und 26. Oktober) verursachten jedoch fast keine menschliche Opfer, auch wenn die Militärs beider Seiten die Gelegenheit nutzten, die Verteidigung des Gegners zu testen [3].
In Syrien unterstützte Präsident Baschar al-Assad sofort die Libanesen und seine Hisbollah-Verbündeten, als diese vom Iran im Stich gelassen wurden. Historisch gesehen ist der Libanon nur ein Gouvernorat Syriens, und aus Baschar al-Assads Sicht ist Syrien daher für die Sicherheit der Libanesen verantwortlich. Deshalb hat er Hunderttausenden Flüchtlingen, die vor den israelischen Bombenangriffen geflohen sind, Asyl gewährt und die wenigen Waffen, die er hatte, der Hisbollah übergeben.
Als Antwort darauf zerstörte die IDF alle Straßen und Brücken, die von Syrien in den Libanon führen, und ließ mit der NATO die Dschihadisten von Idlib auf Aleppo los, von dem diese einen großen Teil eingenommen und besetzt haben. Die Stadt wurde von den iranischen Revolutionsgarden verteidigt, die sich kampflos zurückzogen.
Zur Überraschung aller verfügen die Dschihadisten in Idlib über hochmoderne, von Katar finanzierte Waffen und über eine Vielzahl von Drohnen, die von ukrainischen Betreibern eingesetzt werden.
Die Konstanten der revisionistischen Zionisten
Eine Konstante im Verhalten der revisionistischen Zionisten besteht darin, die materiellen Beweise für ihre Lügen zu vernichten. So ließ Benjamin Netanjahu die Zeitangaben der Aufzeichnungen seiner Treffen am 7. Oktober 2023 ändern. Er hoffte so, leichter leugnen zu können, dass er bei der Durchführung des Angriffs auf seine eigenen Mitbürger mitgeholfen hat.
Die Israelis wissen, dass er von seiner Ernennung zum Premierminister im Jahr 2009 bis zum 7. Oktober der Hamas geholfen hat. Er behauptete, seine Strategie sei die Hamas im Kampf gegen Jassir Arafats PLO zu begünstigen. Seine erste offizielle Entscheidung bestand darin, das Auslieferungsersuchen für Moussa Abu Marzouk, den damaligen obersten Führer der Hamas, der in den Vereinigten Staaten inhaftiert war, zurückzuziehen. Andere Ereignisse haben gezeigt, dass es nicht sein Ziel war, die PLO zu zerstören, sondern die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Als die Palästinensische Autonomiebehörde 2018 beispielsweise die Bezahlung von Beamten in Gaza einstellte, traf er ein Abkommen mit Yahyah Sinwar, dem damals in Israel inhaftierten Militärchef der Hamas in Gaza. Er gab zuerst heimlich Geld, dann offiziell über Katar. In vier Jahren zahlte er der Hamas 2,5 Milliarden Dollar, damit sie ihr Tunnelnetz bauen und sich bewaffnen konnte.
Audrey Azoulay, ehemalige französische Kulturministerin und derzeitige Generaldirektorin der UNESCO, hat die Sitzung der Kommission für die Erhaltung historischer Stätten in die Länge gezogen, um der IDF die Zerstörung libanesischer archäologischer Stätten zu ermöglichen.
Auf diese Weise erhielten Netanjahu und die Hamas die Unterstützung der angelsächsischen Geheimdienste, getreu der 1916 von Lord Herbert Samuel, dessen Sohn Edwin ein Gefährte Jabotinskys war, dargelegten Strategie: sicherzustellen, dass weder der jüdische Staat noch der zukünftige palästinensische Staat jemals allein seine Sicherheit garantieren könnten.
Eine andere Konstante im Verhalten der revisionistischen Zionisten besteht darin, die archäologischen Beweise für ihren Betrug zu vernichten. So war auch im Jahr 2009 die zweite Entscheidung Netanjahus, der damals Ministerpräsident wurde, Tunnel unter dem Tempelberg zu graben, um die Al-Aqsa-Moschee sprengen zu können. In den letzten Monaten hat er alle archäologischen Überreste im Südlibanon zerstört, sei es die der Kreuzritter oder der Osmanen, und hat sogar versucht, die Tempel von Baalbek, das größte Heiligtum des Römischen Reiches, zu zerstören. Damit setzte er die während des Golfkrieges verursachte Zerstörung der Stätte von Babylon oder die während des Syrienkrieges zerstörten Überreste von Aleppo und Palmyra fort. Alles muss getan werden, um sicherzustellen, dass der Anspruch auf das „Land vom Nil bis zum Euphrat“ legitim erscheint.
Thierry Meyssan
[1] „Mehr als 500 Dschihadisten im Ziv Medical Center behandelt“, Übersetzung Horst Frohlich , Voltaire Netzwerk, 24. November 2015. [2] « Natan Sharansky, idéologue de la démocratisation forcée », Réseau Voltaire, 24 février 2005. [3] „Der israelisch-iranische Überbietungswettbewerb verschleiert die Neuordnung der Bündnisse im Nahen Osten“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 5. November 2024.]. Ein geheimes Abkommen zwischen Washington, Teheran und Tel Aviv ist offensichtlich geworden.Auf der anderen Seite hat Teheran wieder Kontakt zu den irakischen Kurden aufgenommen. Im September besuchte Präsident Masoud Peseschkian den Irak, um sich nicht nur mit dem Talabani-Stamm, sondern auch mit den Barzani-Stamm (pro-israelisch) zu treffen.
Die Erklärungen von Imam Ali Khamenei gegen Benjamin Netanjahu
können sein De-facto-Bündnis mit Israel jedoch nicht verschleiern
Im Irak ergriff Ayatollah Ali al-Sistani, das geistliche Oberhaupt der schiitischen Gemeinschaft, das Wort und überbrachte eine verwirrende Botschaft, die zeigte, dass er nicht mehr wisse, was er von der Islamischen Republik zu erwarten habe.
Im Jemen hat Ansar Allah, überzeugt von der Wende des Iran, Schritte unternommen, um seinen Chef, Abdul-Malik al-Huthi, vor dem Schicksal von Hassan Nasrallah zu schützen.
In der Türkei forscht Präsident Recep Tayyip Erdoğan wie üblich die verschiedenen Möglichkeiten aus, die ihm zur Verfügung stehen, ohne sich hier und da festzulegen. Er, der sich langsam seinem syrischen Pendant annäherte, genehmigte nun Waffenlieferungen an die Dschihadisten in Idlib, damit diese den Kampf gegen die Arabische Republik Syrien wieder aufnehmen. Gleichzeitig schickte er Abgesandte, um mit Abdullah Öcalan, dem Gründer der PKK, der seit 1999 inhaftiert ist, zu sprechen. Wie auch immer die Gespräche ausfallen mögen, es ist unwahrscheinlich, dass “Apo” die NATO und Israel so unterstützen wird, wie es seine Bewegung heute tut.
Die Kehrtwende Irans und das Doppelspiel der Türkei setzten der Euphorie des BRICS-Gipfels in Kasan vor einem Monat ein jähes Ende
[[„In Kasan hat sich die Weltordnung gewendet“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich , Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 29. Oktober 2024.
Nehmt solche Aussprüche nicht für so ernst… sie versuchen es, aber die Welt ist groß….
er wird seinen Fußtritt noch bekommen….