Viele Worte um die Hungersnot anzukündigen !

US-Abzug: EZB warnt vor Dollarmangel
Freitag, 23. Mai 2025 – 10:15 Uhr Eingereicht von Thomas Kolbe

EZB warnt vor Dollarmangel

Der Graben zwischen der Europäischen Union und den USA vertieft sich. Washingtons Rückzug aus dem Ukraine-Konflikt wird immer deutlicher – während Brüssel weiterhin auf Konfrontationskurs bleibt. Die Finanzmärkte entwickeln sich bereits in unterschiedliche Richtungen. Nun warnt die EZB vor einer drohenden Dollarknappheit.

Handelskriege sind nicht bloß Streitigkeiten über Zölle und Warenströme. Im Kern sind sie Machtkämpfe auf den Devisenmärkten – Arenen, auf denen geopolitische Konflikte ohne Blutvergießen ausgetragen werden, jedoch oft mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen für die Verlierer. Das aktuell auffälligste Beispiel: die gezielte Abwertung des chinesischen Yuan. Hinter diesem Manöver verbirgt sich mehr als nur Geldpolitik. Es fungiert als Druckventil für innenpolitische Spannungen, Kapitalfehlallokationen (wie den Zusammenbruch des Immobiliensektors) und die Belastung des Arbeitsmarktes. Künstlich verbilligte Exporte verlagern einen Teil dieser Lasten ins Ausland. Gleichzeitig festigt die Kommunistische Partei ihre Macht im Inland. Die systematische Abwertung des Yuan bremst den Aufstieg einer kaufkräftigen Mittelschicht – und erstickt so die Forderungen nach politischer Teilhabe. Das ist der Wind, der durch China weht.

Das Plaza-Abkommen als Blaupause

Ein Blick auf den von US-Präsident Donald Trump entfesselten Handelskonflikt und die Verhängung temporärer Zölle verdeutlicht: Hinter dem politischen Theater vollzieht sich eine Neuordnung der globalen Devisenmärkte – ähnlich dem Plaza-Abkommen von 1985, als die G5-Staaten die Überbewertung des Dollars korrigierten, um die Handelsströme wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die USA sind nicht länger bereit, die strukturelle Überbewertung ihrer Währung – eine Folge ihrer Rolle als Weltreservewährung – zu tolerieren. Trump machte deutlich: Die Zeiten der Ausblutung amerikanischer Industrien zugunsten ausländischer Produktionsstandorte sind vorbei.

Trumps Zolloffensive zielt nicht nur auf China. Eine Neuordnung der Handelsströme zwischen den beiden Supermächten über Währungsmechanismen scheint unausweichlich, da der Schaden einer weiteren Eskalation zu groß wäre. Doch Trumps eigentlicher Fokus liegt auf der Europäischen Union – wie er wiederholt und unmissverständlich betont hat. „Wir haben ein Defizit von 350 Milliarden Dollar [mit der EU]. Sie kaufen weder unsere Autos noch unsere Agrarprodukte“, sagte Trump über den transatlantischen Handel.

Diese Beziehungen leiden zunehmend unter versteckten Handelshemmnissen, Harmonisierungsauflagen und dem europäischen Normenprotektionismus. Trump bezeichnete die EU als „harte Nuss“ beim Aufbau fairer Handelsbeziehungen. 75 Prozent der Zolleinnahmen der EU-Mitgliedsstaaten fließen unter Ursula von der Leyen direkt in den Haushalt der Europäischen Kommission.

Sorgfältig verborgen unter Schlagworten wie „Green New Deal“ oder Mobilitätswende betreibt die EU einen Subventionsmotor, der mit Chinas interventionistischem Modell konkurriert. Der von europäischen Akteuren energisch verteidigte Protektionismus fällt eindeutig in diese Kategorie. Im Laufe der Zeit hat die EU eine Anreizstruktur entwickelt, die streng gegen externe Konkurrenz abgeschirmt ist. Wenn Trump von einer „harten Nuss“ spricht, meint er diesen korporatistischen Komplex – das Bündnis mächtiger Industrieinteressen, zentralisierter Steuerung aus Brüssel und die Verteidigung des Binnenmarkts durch eine Mauer nichttarifärer Handelshemmnisse.

Dollarmangel als Machthebel

Hinter Europas Schutzwall verändert sich die Lage. Nach Jahren der Brexit-Lähmung suchen Brüssel und London nun nach Auswegen aus ihrer Handelsblockade. Das 90-tägige Zollmoratorium der USA hat beide Parteien zum Handeln gezwungen – praktisch eine teilweise Rücknahme des Brexits. Gemeinsam bereiten sie sich auf einen langwierigen Verhandlungsmarathon mit Washington vor, vereint in einer Front der Protektionisten. Doch Washington hat bereits einen geeigneten Hebel gefunden, um die Festung Europa aufzubrechen: den Eurodollar-Markt und die Kreditmechanismen außerhalb der Zuständigkeit der Federal Reserve.

Mit dem Auslaufen des LIBOR-Vertrags – einem ehemaligen globalen Referenzzinssatz für kurzfristige Interbankenkredite – am 30. Juni 2023 und der Einführung des alternativen US-Zinssatzes SOFR (Secured Overnight Financing Rate) haben die USA die volle Kontrolle über die Preisgestaltung von Dollarkrediten übernommen. Während der LIBOR von europäischen Banken dominiert wurde und Zinsmanipulationen ausgesetzt war, basiert der SOFR auf tatsächlichen besicherten Repo-Geschäften auf dem US-Markt – und ist weitgehend manipulationssicher. Unter dieser neuen Struktur werden Dollarkredite teurer – schlechte Nachrichten für Europäer, die seit langem an günstige Dollarfinanzierungen gewöhnt sind.

Die Vereinigten Staaten befreien sich bewusst vom Einfluss europäischer Institutionen, die ihre Zahlungsfähigkeit bisher durch niedrige Zinsen und verzerrte globale Währungsbedingungen verteidigt hatten. Mit dem Verlust des LIBOR hat Europa ein wichtiges Kontrollinstrument seiner Dollarfinanzierung eingebüßt und steht nun vor der Herausforderung, sich an ein strikt marktorientiertes System anzupassen.

Kommunikationsfehler oder Naivität?

Doch seit Montag ist klar: Die USA bereiten sich darauf vor, den Dollar als noch schärfere Waffe einzusetzen. Offenbar hat die Trump-Regierung – gemeinsam mit der Federal Reserve – bestehende Dollar-Swap-Linien mit der Eurozone eingefroren. Diese Swaps sind Liquiditätsvereinbarungen zwischen Zentralbanken in US-Dollar. Banken der Eurozone können bei Engpässen nicht mehr auf Notfallliquidität in Dollar zugreifen. Die EZB forderte die Banken der Eurozone öffentlich auf, ihre Dollarreserven zu prüfen und mögliche Defizite zu identifizieren. Hat die EZB damit unabsichtlich das asymmetrische Machtgefüge zwischen Europa und den USA offengelegt? Im Krisenfall könnte die EZB gezwungen sein, am Diskontierungsfenster der Fed Dollarkredite zu vergeben.

Ob dies auf einen Kommunikationsfehler oder ein Leck im Frankfurter EZB-Turm zurückzuführen ist, bleibt unklar. Sicher ist jedoch: Vertreter der Europäischen Zentralbank haben die europäischen Geschäftsbanken öffentlich vor einem drohenden Dollarmangel gewarnt – ein Szenario mit schwerwiegenden Folgen. Rund 17 bis 20 Prozent aller Kredite im Euroraum lauten auf US-Dollar. Ein Großteil des EU-Außenhandels hängt vom Zugang zur Reservewährung ab. Versiegt dieser Geldhahn, könnten Lieferketten reißen und der transatlantische Handel teilweise zum Erliegen kommen. Eines ist klar: Mit diesem finanziellen Hebel verfügen Donald Trump und die USA über eine geopolitische Waffe von erheblicher Bedeutung.

Ein Blick auf das Schachbrett

In einem breiteren geopolitischen Kontext wird deutlich: Die USA nutzen ihre Währungsdominanz selbstbewusster und verschieben die Tektonik der globalen Wirtschaftsmacht. Geopolitische Rivalen innerhalb des BRICS-Blocks versuchen, sich dem Griff des Dollars zu entziehen. Doch der Erfolg ist alles andere als sicher. Ironischerweise beruht das von Hauptstädten wie Peking und Moskau angestrebte alternative System auf dem digitalen Yuan – einem Instrument absoluter staatlicher Kontrolle. Selbst unter Chinas engsten Partnern ist Misstrauen spürbar. Der Yuan bleibt als Transaktionswährung global irrelevant; nur 2,2 Prozent der weltweiten Devisenreserven werden in Yuan gehalten. Der US-Dollar dominiert mit einem Anteil von 57 Prozent der Reserven nach wie vor die Weltwirtschaft. Bemühungen, diese Dominanz durch einen teilweise goldgedeckten Abwicklungsmechanismus zu umgehen, kämen einem monetären Selbstmordkommando gleich.

Inzwischen müssen selbst Amerikas engste Verbündete mit einer unangenehmen Realität rechnen: Dollar-Swap-Linien – der privilegierte Zugang zu Dollarliquidität – sind in den bevorstehenden Verhandlungen mit den USA zu einem geopolitischen Verhandlungsobjekt geworden. Brüssel täte gut daran, diese Realität anzuerkennen. Die Ära des Euro-Protektionismus neigt sich dem Ende zu – zum Vorteil der europäischen Verbraucher und der langfristigen wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit des Kontinents.

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